🇨🇭 Rechtlicher Fachleitfaden ZGB

Ehevorbereitungsverfahren Schweiz

Umfassender rechtlicher Leitfaden zum Ehevorbereitungsverfahren nach schweizerischem Zivilgesetzbuch. Alle gesetzlichen Bestimmungen, Verfahrensschritte und rechtlichen Anforderungen im Detail erklärt.

Das Ehevorbereitungsverfahren im Überblick

Das Ehevorbereitungsverfahren ist ein obligatorisches administratives Verfahren gemäss Art. 97 ff. ZGB, das die Ehefähigkeit der Verlobten prüft und die rechtlichen Voraussetzungen für die Eheschliessung feststellt. Vor der Ziviltrauung muss diese Ehevorbereitung zwingend abgeschlossen werden.

Art. 94
ZGB Ehefähigkeit

Art. 97
ZGB Verfahren

Art. 99
ZGB Prüfung

Rechtliche Grundlagen ZGB

Das Ehevorbereitungsverfahren basiert auf den Artikeln 94 bis 99 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) sowie der Zivilstandsverordnung (ZStV)

Art. 94 ZGB – Ehefähigkeit

Grundvoraussetzungen:
• Vollendung des 18. Altersjahres
• Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 16 ZGB
• Freie Willensäusserung zur Eheschliessung
• Keine bestehenden Ehehindernisse
Eine Geburtsurkunde ist als Altersnachweis erforderlich.

Art. 95 ZGB – Ehehindernisse

Absolute Ehehindernisse:
• Bestehende Ehe oder eingetragene Partnerschaft
• Verwandtschaft in gerader Linie
• Geschwister- oder Halbgeschwisterverhältnis
• Geistige Behinderung mit Urteilsunfähigkeit
Bei früheren Ehen sind entsprechende Urkunden und Auszüge erforderlich.

Art. 97 ZGB – Verfahren

Verfahrensbestimmungen:
• Zuständigkeit nach Wohnsitz der Verlobten
• Persönliches Erscheinen obligatorisch
• Prüfung der Ehevoraussetzungen
• Dokumentation im Personenstandsregister
Finden Sie das zuständige Amt in unserem Verzeichnis der Zivilstandsämter.

Art. 98 ZGB – Ausländer

Besondere Bestimmungen:
• Rechtmässiger Aufenthalt erforderlich (Abs. 4)
• Nachweis der Ehefähigkeit nach Heimatrecht
• Konsularische Beglaubigungen
• Übersetzungen in Amtssprachen
Informationen zu Apostille und Legalisierung sowie Beglaubigung finden Sie in unseren entsprechenden Bereichen.

Detaillierter Verfahrensablauf

Das Ehevorbereitungsverfahren folgt einem strukturierten Ablauf mit klar definierten rechtlichen Prüfungsschritten

1. Gesuchstellung Art. 97 Abs. 1 ZGB

Formelle Anforderungen:
Schriftliches Gesuch beim zuständigen Zivilstandsamt. Zuständig ist das Amt am schweizerischen Wohnsitz eines der Verlobten. Bei Auslandwohnsitz beider: Amt des gewählten Trauungsortes. Weitere Informationen zur Ehevorbereitung finden Sie in unserem praktischen Leitfaden.

2. Identitätsprüfung Art. 97 Abs. 2 ZGB

Persönliche Vorsprache:
Beide Verlobte müssen persönlich erscheinen. Identitätsnachweis mittels gültiger Ausweisdokumente. Bei sprachlichen Hindernissen: qualifizierte Dolmetscherperson erforderlich. Kontaktieren Sie das entsprechende Berner, Aargauer oder St. Galler Zivilstandsamt.

3. Prüfung der Ehefähigkeit Art. 99 ZGB

Materielle Prüfung:
Überprüfung aller Ehevoraussetzungen nach Art. 94/95 ZGB. Prüfung auf Scheinehe oder Zwangsheirat. Kontrolle der Personenstandsdaten im schweizerischen Register. Bei Verdacht auf unerlaubte Praktiken erfolgt eine intensive Prüfung.

4. Dokumentenprüfung

Formelle Kontrolle:
Prüfung aller eingereichten Dokumente auf Vollständigkeit und Authentizität. Bei ausländischen Dokumenten: Weiterleitung an kantonale Aufsichtsbehörde möglich. Informationen zur Übersetzung und Beglaubigung von Dokumenten finden Sie in unserem separaten Bereich.

5. Belehrung über Rechtsfolgen

Informationspflicht:
Aufklärung über namens- und bürgerrechtliche Folgen der Eheschliessung. Information über Güterstand und erbrechtliche Konsequenzen. Bestätigung der Personenstandsdaten. Weitere Informationen zu Namensänderungen und Bürgerrecht finden Sie in unseren entsprechenden Bereichen.

6. Verfahrensabschluss

Finale Entscheidung:
Bei positiver Prüfung: Ausstellung der Trauungsermächtigung gültig für 3 Monate. Bei negativer Prüfung: Verweigerungsentscheid mit Rechtsmittelbelehrung. Anschliessend kann die Ziviltrauung geplant werden.

Besondere Verfahrenssituationen

Bestimmte Konstellationen erfordern erweiterte Prüfungen oder spezielle Verfahrensschritte im Ehevorbereitungsverfahren.

Ausländische Staatsangehörige (Art. 98 ZGB):

  • Rechtmässiger Aufenthalt bis zum voraussichtlichen Trauungstermin erforderlich
  • Ehefähigkeitsnachweis nach Heimatrecht notwendig
  • Mögliche Weiterleitung an kantonale Aufsichtsbehörde
  • Konsularische Überprüfung durch schweizerische Vertretungen
  • Verlängerte Bearbeitungszeiten und höhere Kosten
  • Oft ist eine Apostille oder Legalisierung erforderlich

Verdacht auf Schein-/Zwangsehe (Art. 99 Abs. 2 ZGB):

  • Intensive Prüfung der Motivation zur Eheschliessung
  • Separate Befragung der Verlobten möglich
  • Anzeigepflicht bei Straftatverdacht (Art. 43a Abs. 3bis ZGB)
  • Verweigerung des Gesuchs bei offensichtlichen Verstössen
  • Dokumentation aller Abklärungen im Verfahren

Internationale Zustellung:

  • Verfahren über schweizerische Vertretungen im Ausland
  • Konsularische Prüfung der Dokumente vor Ort
  • Verlängerte Fristen und Kommunikationswege
  • Spezielle Gebührenordnung für Auslandsverfahren
  • Zusätzliche Beglaubigungen oft erforderlich
Standardverfahren
2-3 Wochen

Mit kantonaler Prüfung
6-12 Wochen

Verweigerungsquote
< 1%

Auslandsverfahren
2-4 Monate

Rechtsmittel und Verfahrensgarantien

Bei negativen Entscheiden stehen den Verlobten verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung

Verwaltungsbeschwerde

Bei Verweigerung des Gesuchs:
Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen innert 30 Tagen. Schriftliche Begründung erforderlich. Suspensive Wirkung der Beschwerde. Bei komplexen Fällen empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung.

Rechtliches Gehör

Verfahrensgarantien Art. 29 BV:
Recht auf Anhörung vor Entscheid. Begründungspflicht bei negativen Verfügungen. Einsichtsrecht in die Verfahrensakten. Vertretung durch Rechtsanwalt möglich.

Wiederholung des Verfahrens

Bei geänderten Umständen:
Neues Gesuch nach Wegfall der Hindernisse möglich. Vollständige Neuprüfung aller Voraussetzungen. Keine Präjudizwirkung früherer Entscheide. Eine neue Ehevorbereitung kann jederzeit eingeleitet werden.

Kosten und Gebühren

Gebührenordnung ZStV:
Verfahrensgebühren gemäss kantonaler Verordnung. Bei Verweigerung: Gebührenpflicht trotzdem. Armenrecht bei unzumutbarer finanzieller Belastung.

Juristische FAQ zum Ehevorbereitungsverfahren

Welche Fristen gelten für das Ehevorbereitungsverfahren?

Das Verfahren kann frühestens 3 Monate vor der geplanten Trauung eingeleitet werden. Die ausgestellte Trauungsermächtigung ist 3 Monate gültig. Es gibt keine gesetzliche Mindestbearbeitungszeit, jedoch praktische Fristen je nach Komplexität. Weitere Details zur Ehevorbereitung finden Sie in unserem praktischen Leitfaden.

Was passiert bei Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit?

Zuständigkeitskonflikte werden durch die kantonale Aufsichtsbehörde entschieden. Bei interkantonalen Streitigkeiten entscheidet das Bundesamt für Justiz. Die Verlobten können während der Klärung bei beiden potentiell zuständigen Ämtern vorsprechen. Kontaktieren Sie das entsprechende Zürcher, Berner oder andere kantonale Zivilstandsämter.

Welche Konsequenzen hat ein Verfahrensfehler?

Schwerwiegende Verfahrensfehler können zur Anfechtung der späteren Eheschliessung führen. Das Zivilstandsamt muss alle gesetzlichen Prüfungspflichten beachten. Bei Fehlern ist eine Neubeurteilung oder Wiederholung des Verfahrens möglich.

Wie wird die Urteilsfähigkeit im Einzelfall geprüft?

Die Urteilsfähigkeit wird durch Gespräch und Beobachtung beurteilt. Bei Zweifeln kann ein ärztliches oder psychiatrisches Gutachten verlangt werden. Die Prüfung muss sich spezifisch auf die Tragweite der Eheschliessung beziehen, nicht auf die allgemeine Geschäftsfähigkeit.

Welche Rolle spielt das Heimatrecht bei ausländischen Verlobten?

Das schweizerische Verfahrensrecht ist anwendbar, aber die materiellen Ehevoraussetzungen richten sich teilweise nach dem Heimatrecht der ausländischen Verlobten. Bei Widersprüchen zwischen Heimat- und schweizerischem Recht gelten grundsätzlich die strengeren Bestimmungen. Informationen zum Bürgerrecht und dessen Auswirkungen finden Sie in unserem entsprechenden Bereich.

Können Verlobte während laufendem Verfahren heiraten?

Nein, die Trauung ist erst nach positivem Abschluss des Ehevorbereitungsverfahrens möglich. Eine Trauung ohne gültige Ermächtigung ist nichtig. Das Zivilstandsamt darf keine Trauung ohne abgeschlossenes Verfahren durchführen.

Rechtliche Beratung und Vertretung

Bundesamt für Justiz

Anwaltliche Beratung
Bei komplexen Sachverhalten empfehlenswert

Rechtsmittel
30-Tage-Frist für Beschwerden beachten

Scroll to Top